Was ist das?? Vaginalkonen sind Gewichte (ca. 30-50g) meist in einer Kugel- oder Kegelform aus Silikon oder anderem Kunststoff, die frau als Trainingsgerät wie ein Tampon in die Vagina einführt.
Wäre es nicht schön, wenn man ein einfaches Trainingsgerät hätte, mit dem frau ohne große Anleitung ihren Beckenboden nach der Geburt (oder auch sonst im Leben) trainieren kann? Vielleicht hast du dazu schon einmal von Vaginalkugeln oder Vaginalgewichten gehört?! Sie gibt es im Drogeriemarkt zu kaufen, kosten nicht viel Geld, benötigen augenscheinlich keine Anleitung, können in Gewicht und Tragezeit an die Frau angepasst werden,… Hört sich doch gut an, oder nicht??
Das werde ich oft gefragt und als Beckenbodenphysiotherapeutin sage ich natürlich immer, nichts kommt gegen ein individuelles Training (damit schließe ich immer sowohl Kraft- als auch Entspannung- und Koordinationstraining und Alltagsumsetzung ein) an 😉 Aber jetzt wollte ich mich dem mal genauer widmen und habe in pubmed (eine Datenbank für Studien) gesucht und habe 77 Treffer zu „vaginal cones“ gefunden. Das habe ich natürlich nicht alles gelesen (sonst wäre ich nächstes Jahr noch nicht fertig ;-P), aber es gibt zwei Reviews (systematische Übersichtsarbeiten, die mehrere Studien zusammenfassen) zu dem Thema, die ich gefunden habe. Herbison und Dean (2013) haben aus 23 Studien mit ca 1800 Frauen herausfinden wollen, ob Training mit Vaginalkonen effektiver als kein Training und als Beckenbodentraining (und verschiedene Kombinationen) ist, um Urininkontinenz zu verbessern. Sie haben selbst beschrieben, dass die Studien an sich sehr klein und schwierig zu vergleichen waren. Trotzdem haben sie geschlussfolgert, dass Vaginalkonen besser als keine Behandlung und ähnlich wie Beckenbodentraining oder Elektrostimulation bei Urininkontinenz (Belastungsinkontinenz) helfen.
Oblasser, Christie und McCourt(2015) haben in ihrem Review Studien gesucht, die in der Behandlung von Inkontinenz nach der Geburt die Benutzung von Vaginalkonen mit keiner Behandlung, Placebo oder Beckenbodentraining vergleichen. Sie haben nur eine Studie einschließen können, weshalb man die Ergebnisse nicht als gültig annehmen kann. Es ist also studientechnisch wie eigentlich immer 😉 noch viel zu tun. 😉
Was die Studien sich nicht fragen ist, woher kommt die Inkontinenz nach der Geburt. Macht es Sinn, diese mit Krafttraining zu behandeln? Davon wird anscheinend ausgegangen. Ich habe keine Studien dazu und möchte hier einfach meine Gedanken dazu teilen und es darf gern kritisch nachgefragt werden 😉 In vielen Gesprächen mit anderen KollegInnen haben wir festgestellt, dass Frauen oft (um eine Zahl zu nennen, die durch keine Studie bewiesen ist 😉 zu 50% mit einer zu hohen Spannung im Beckenboden mit Inkontinenz oder Senkungsbeschwerden zu uns kommen. Auch diese Frauen haben eine zu geringe Kraft! Aber zusätzlich eben noch eine zu hohe Spannung! Würden wir mit diesen Frauen nun Krafttraining (mit Vaginalkonen oder ohne) machen, würde sich die Spannung weiter erhöhen und die Beschwerden schlimmer werden. Wir müssen also erst einmal schauen, woher kommt diese zu hohe Spannung? Durch falsches, zu intensives Training? Durch psychische Belastungen, Geburtstraumata? Nur so können wir die Spannung vermindern und dann ggf. ein gezieltes Krafttraining anschließen.
Wenn man dies betrachtet, würden bei 50% der Frauen die Probleme nicht besser oder schlimmer werden, wenn alle Frauen Vaginalkonen kaufen würden!
Das ist für mich schon ein Grund wo ich sage, ich kann sie nicht pauschal empfehlen!
Als 2. Aspekt überlege ich, wie „wirken“ diese Konen auf die Muskeln? Wir wollen zur Kontinenzsicherung ein Heben des Beckenbodens erreichen. Tut er das, wenn er die Kone vor dem Herausfallen hindert oder arbeitet er nur verschließend, in einem viel kleineren Bewegungsausmaß? Trainingstechnisch würde man so nicht den gesamten Muskel trainieren, sondern nur Anteile (in einer Position)? Ganz so einfach ist es wahrscheinlich nicht, da man laut Anleitung damit einen ganz normalen Alltag weiterführen soll und der Beckenboden dann ja in verschiedenen Belastungen ist. Aber gut, wir wollen es nicht übertreiben 😉 Klar ist, dass der Beckenboden mit den Konen haltend in einer Daueranspannung übt. Der Beckenboden besteht hauptsächlich aus tonischen Muskelfasern (Haltemuskulatur). Diese neigen dazu zu verspannen (man kennt es häufig von den Schultern bei zu viel Büroarbeit, ich merke es auch gerade ;-). Deshalb ist es für mich auch aus dem Grund schon nicht empfehlenswert Frauen ohne Vorwarnung auf die Konen loszulassen! Woher soll man das sonst wissen?? Wie oben erwähnt benötigt frau offiziell für die Vaginalkonen keine „professionelle“ Anleitung, sondern hat eine Gebrauchsanweisung beiliegen. Die empfiehlt die Konen nicht länger als (und jetzt kommt es!) 60 Minuten zu tragen. Wow! 60 Minuten Anspannung, das soll mal jemand versuchen! Für mich ist klar, dass ist viel zu viel und nicht förderlich für keinen Beckenboden!
So jetzt habe ich viele Gegenargumente gebracht, aber ich bin auch immer gegen Extreme und Verbote! Denn es gibt sicherlich auch Frauen, für die es sinnvoll ist, wenn man alle oben genannten Fehlerquellen kennt und vermeidet. Da denke ich allerdings eher an Leistungssportlerinnen, die die Konen als Gewicht nutzen, um einen nächsten größeren Trainingsreiz zu setzen. Denn als Ottonormalverbraucher reicht eine mittlere Beckenbodenkraft, um trocken durchs Leben zu kommen. 😉 Oder an Frauen, die sich durch die Konen zu einem Beckenbodentraining super motivieren können. Auch dann denke ich, ist es eben besser als nichts zu machen (wie gesagt immer nur, wenn es angezeigt ist, zu kräftigen und in einem adäquaten Umfang, keine Haltearbeit!).
So, jetzt seid ihr dran 😉 Kommentiert, diskutiert, gebt weitere Überlegungen in die Runde 🙂