Organsenkung Teil 1
30% der Frauen unter 45 Jahren, die entbunden haben, haben eine Senkung (nicht alle haben auch Beschwerden!). Das Thema ist also ganz aktuell und ihr seid nicht allein damit! Viele von euch wissen vielleicht schon, dass ich auch eine Organsenkung der Gebärmutter 2. Grades habe (die meisten Senkungen werden in „Schweregrade“ 1-4 eingeteilt). Ich kann somit auch ganz persönlich von meinen Erfahrungen nicht nur als Physio, sondern auch von mir selber berichten. Manche von euch erzählen mir, dass sie mit den Beschwerden nicht ernst genommen und damit nach Hause geschickt werden, dass alles in Ordnung sei. Ich möchte euch da unterstützen und sagen, ihr müsst nicht Nichts tun und damit leben! Manchmal passen auch Ultraschallbilder und Befinden nicht zusammen (sowohl in die eine Richtung, als auch in die andere). Ihr könnt auf jeden Fall etwas gegen die Symptome tun und für Stabilität sorgen. Was, erfahrt ihr in Teil 2. Vielleicht zeigt sich die Senkung bei der Untersuchung bei der Ärztin nicht in dem Ausmaß, wie sie im Stehen und gehen ist. Vertraue deinem Gefühl und lasse dich nicht abspeisen!
„Was kann sich absenken?“
Es können sich neben der Gebärmutter auch die Blase (Zystozele), die Harnröhre, der Darm (Rektozele), der Dünndarm oder der Beckenboden an sich absenken. Es wird auch oft von einer vorderen oder hinteren Scheidenwandsenkung gesprochen. Dabei senkt sich die Blase in die vordere Scheidenwand, der Enddarm in die hintere ab.
„Wie fühlt sich das an?“
Es können verschiedenste Symptome auftreten. Du kannst das Gefühl haben, als würde ein Tampon nicht richtig sitzen. Du kannst Probleme haben, ein Tampon oder eine Menstruationstasse einzuführen (TIPP: es gibt extra kurze Tassen bei Gebärmuttersenkung! IMMER Vakuum lösen beim Rausnehmen, damit sich nichts weiter senkt!). Du kannst ein Schwere- oder Druckgefühl in der Hocke oder beim längeren Gehen haben. Du kannst Probleme haben, dich zu entleeren oder dies nur mit Hilfe eines Fingers, der die Senkung behebt, schaffen. Du kannst Schmerzen beim Stuhlgang haben. Du kannst Rückenschmerzen haben. …
„Woran merke ich, dass ich eine Senkung habe?“
Das erste Mal, dass ich bewusst meine Gebärmuttersenkung als störend wahrgenommen habe, war als ich meine Tage hatte und wir wandern waren. Es war furchtbar. Ich musste alle 500m anhalten und mich hinlegen und Pause machen, sonst hatte ich das Gefühl, etwas fällt aus mir heraus. Danach habe ich selbst meinen Gebärmuttermund unter der Dusche getastet (fühlt sich an wie ein fester kleiner Doughnut) und einen Schock bekommen. Ich konnte ihn schon sehr nah am Eingang der Vagina tasten. Zur Gyn → alles ok. Hmm, das fühlt sich nicht so an. Auch wenn ich selbst vom Fach bin und mich selbst untersuchen kann (den Gebärmuttermund kannst auch du selbst tasten!) und mir sicher war, habe ich doch mich dahinter versteckt, es sei schon alles ok. Für ein paar Monate. Aber es wurde ja nicht besser. Dann bin ich beim Ultraschall Check up bei Sabrina Nieland gewesen. Und habe es schwarz auf weiß gesehen, was ich eigentlich schon wusste, aber verdrängt hatte. Das erste Mal in meinem Leben habe ich etwas, was nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Ich war geschockt. Zu Hause liefen die Tränen. Gedankenkarusell an. Gespräche mit einer Hebamme und guten Freundinnen haben mir geholfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Denn natürlich kann man etwas machen (das weiß ich ja auch) und es ist nicht so dramatisch wie es sich angefühlt hat, aber die Erkenntnis war im ersten Moment furchtbar. Wie kann das sein mit 33 Jahren, dass meine Gebärmutter sich schon so weit nach unten bewegt hat? Mehr dazu morgen.
Bei Senkungssymptomen lasse dich von einer spezialisierten Beckenbodenphysiotherapeutin (mit Ultraschall und/oder Tastuntersuchung) untersuchen In der Therapeutenliste der AG GGUP findest du eine TherapeutIn in deiner Nähe.
TIPP: Am besten abends und im Stehen, dann ist die Senkung am stärksten. Als Physio darf ich dir nichts diagnostizieren, aber ich darf dir Übungen und Tipps geben und dich zum Beckenbodenzentrum etc weiterleiten mit einer Empfehlung, das weiter abklären zu lassen. Vielleicht findest du auch eine Gyn, die dich im Stehen untersucht. Das wäre schön!
„Wie entsteht eine Organsenkung?“
❓ Organsenkung = zu wenig Kraft im Beckenboden ❓
Das schwirrt häufig in den Köpfen. Das muss nicht so sein! Nicht nur der Beckenboden stützt die Organe, sondern auch das Bindegewebe mit Faszien, Bändern, etc sorgt für Stabilität und auch die Nerven, die den Beckenboden versorgen, müssen intakt sein. Wurden sie durch eine Geburt oder chronisches Pressen beim Stuhlgang geschädigt, kann der Beckenboden nicht mehr voll versorgt werden! Das ist wichtig, für die Therapie zu wissen! Denn wenn der Nerv nicht funktioniert, wird Krafttraining vielleicht nicht helfen. Und wenn der Beckenboden kräftig ist, wird eine weitere Kräftigung nicht die Organsenkung (oder besser daraus resultierende Beschwerden) verbessern!!! (Um das herauszufinden, richte dich an eine spezialisierte Physio!)
‼️ Wie ihr schon öfters bei mir gehört habt, ist Krafttraining entgegen der geläufigen Meinung (auch vieler Ärzte, Hebammen, Physios) bei Beschwerden rund um den Beckenboden eben nur ein kleiner Teil ‼️
Wie wird der Beckenboden oder der bindegewebige Halteapparat denn nun geschädigt? Einflussfaktoren sind:
📍 Schwangerschaft(en) mit ihren hormonellen Veränderungen und zusätzlichem Gewicht.
📍 vaginale Entbindung(en), vor allem mit Interventionen von Zange, Saugglocke, Kristeller-Griff etc. (nebenbei: Hausgeburten und Geburtshausgeburten haben ein geringeres Risiko von Verletzungen; Beckenbodentraining, im ganzheitlichen Sinn, beugt Beckenboden-Beschwerden nach der Geburt vor!)
📍 das Alter. Mit der Zeit baut sich das Gewebe um, nicht zum Vorteil, wie man auch an anderen Körperstellen erfährt
📍 chronische Verstopfungen und pressen beim Stuhlgang auf dem Klo (schaue in mein IGTV, da zeige ich dir, wie du beckenbodenschonend dich entleerst)
📍 Übergewicht
📍 schwere körperliche Arbeit
📍 chronischer Husten, Niesen z.B. bei Allergie (achte auf beckenbodenschonendes Husten)
📍 angeborene Bindegewebsschwäche
Um einer Organsenkung (und auch einem weiteren Absinken) vorzubeugen, achte darauf, oben stehende Risikofaktoren zu minimieren.
Gehörst du auch zur Fraktion Krafttraining, sonst kann es ja nicht helfen?